Waldbrände in Kantabrien – Wenn das grüne Herz Spaniens schwarz wird
Kantabrien – dieses atemberaubende Stück Erde im Norden Spaniens – ist seit Jahren mein Rückzugsort. Ich bin nicht nur ein Liebhaber dieser Region, ich bin beinahe ein Teil von ihr geworden. Das Cabuerniga Tal (El Valle de Cabuerniga) ist wie meine Heimat. Ich kenne die wechselnden Gesichter der Landschaft zu jeder Jahreszeit. Ich bin gewandert durch dichte Buchenwälder, habe die raue Atlantikküste bestaunt, die Picos de Europa besucht und in den grünen Tälern des Saja-Besaya-Naturparks tief durchgeatmet. Und doch erlebe ich Jahr für Jahr dieselbe bittere Realität: Waldbrände. Und mit jedem Brand stirbt ein Stück von Kantabriens Seele.
Ein schwarzer Fleck im grünen Paradies
Vor wenigen Tagen wanderte ich wieder in der Reserva del Saja. Ein Paradies für Biodiversität, durchzogen von dichten Wäldern, in denen Wildkatzen, Rehe und zahlreiche Vogelarten leben. Doch wo gestern noch sattes Grün war, liegt nun verkohltes Schwarz. Der Kontrast ist brutal. Rauch liegt in der Luft. Die Erde dampft noch. Es ist, als würde der Wald leise weinen.
Das Erschütternde: Viele dieser Brände sind nicht natürlichen Ursprungs. Die Statistiken des spanischen Umweltministeriums zeigen, dass etwa 90 % aller Waldbrände in Spanien durch menschliches Fehlverhalten oder Vorsatz verursacht werden. In Kantabrien ist das nicht anders.
Warum brennt es in Kantabrien?
Kantabrien gehört im Vergleich zu südlicheren Regionen Spaniens wie Andalusien oder Extremadura nicht zu den typischen Hotspots von Waldbränden – und doch ist das Feuer hier ebenso zerstörerisch. Die Gründe sind komplex und technisch erklärbar:
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Meteorologische Faktoren:
Durch den Klimawandel verlängern sich die Trockenperioden. Selbst im sonst regenverwöhnten Kantabrien sinkt die Bodenfeuchte drastisch. In den letzten fünf Jahren sind die Sommerniederschläge um 15–20 % zurückgegangen. -
Vegetationsstruktur:
Die dichten Mischwälder, oft mit einem Unterholz aus Ginster, Farn und Gras, sind bei Trockenheit extrem brennbar. Der Wald speichert Feuchtigkeit – aber bei zu wenig Regen verdunstet diese schneller, und das Risiko für einen sich rasch ausbreitenden Boden- und Kronenbrand steigt signifikant. -
Windverhältnisse:
Föhnartige Fallwinde – sogenannte "suradas" – können in wenigen Stunden Brände großflächig ausbreiten. Diese Winde sind in Kantabrien kein seltenes Phänomen. -
Anthropogene Ursachen:
Weidewirtschaft und illegale Landnutzungsänderung sind leider gängige Ursachen. Manche Brände werden absichtlich gelegt, um Weideflächen freizumachen. Ein ökologischer, wirtschaftlicher und ethischer Skandal. -
Mangelnde Prävention:
Während Kantabrien in der Umweltgesetzgebung fortschrittlich ist, hapert es oft an der praktischen Umsetzung. Die Waldbrandprävention bleibt chronisch unterfinanziert.
Feuerwehrmänner: Helden im Kampf gegen das Unkontrollierbare
Ich sehe sie jedes Jahr aufs Neue – die Helikopter, die mit ihren Bambi Buckets über die Berge fliegen. Die Bodentruppen mit ihren Löschrucksäcken, die sich durch unwegsames Terrain kämpfen. Ihre Arbeit ist unvorstellbar anstrengend, lebensgefährlich und gleichzeitig unverzichtbar.
In Kantabrien kommt die sogenannte "Brigada de Refuerzo de Incendios Forestales" (BRIF) zum Einsatz – spezialisierte Teams, die mit moderner Technik, Satellitenüberwachung und Drohnenunterstützung arbeiten. Dennoch stoßen auch sie an physikalische Grenzen: Steilhänge, wechselnde Winde und fehlende Wasserstellen erschweren ihre Arbeit.
Lernen aus anderen Regionen: Griechenland, Galicien, Katalonien
Die verheerenden Waldbrände in Griechenland 2021, in Galicien beinahe jährlich, und zuletzt in Katalonien – sie alle zeigen: Eine koordinierte, präventive und adaptive Strategie ist notwendig. In Galicien wird zunehmend auf „Feuerresilienz“ gesetzt: Brandschneisen, kontrollierte Frühjahrsfeuer, Einbindung der Bevölkerung in Präventionsprogramme.
Was Kantabrien hier lernen kann:
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Satellitengestützte Risikomodelle implementieren
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Aufklärungskampagnen ausweiten
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Frühwarnsysteme mit lokalen Wetterstationen vernetzen
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Waldpflege durch Rückschnitt und Entfernung invasiver Arten intensivieren
Was Wanderer, Touristen und Naturfreunde wissen müssen
Waldbrände sind nicht nur ein ökologisches Desaster – sie sind auch eine Gefahr für Leib und Leben. Viele Touristen unterschätzen das Risiko. Deshalb hier meine wichtigsten Tipps – basierend auf jahrelanger Erfahrung:
🚫 Was man unbedingt vermeiden sollte:
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Keine Zigarettenstummel wegwerfen – auch nicht scheinbar erloschene!
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Kein offenes Feuer – Grillen, Lagerfeuer oder Gasbrenner sind in vielen Naturparks strikt verboten.
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Keine Glasflaschen oder Dosen zurücklassen – sie können als Brennglas wirken.
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Keine Fahrzeuge im trockenen Gras abstellen – heiße Auspuffanlagen entzünden das Gras leicht.
✅ Was man tun sollte:
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Vor Wanderungen den Wetter- und Waldbrandindex prüfen (z. B. auf der Website der Agencia Estatal de Meteorología).
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Auf Hinweisschilder achten – sie zeigen Brandgefahrenstufen.
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Brandgeruch sofort melden – über 112 oder die lokale Guardia Civil.
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GPS-Koordinaten oder Orientierungspunkte angeben, wenn man Feuer sichtet.
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Immer eine kleine Wasserflasche dabeihaben – im Ernstfall kann auch das helfen.
Natur braucht Zeit – und unsere Verantwortung
Ein verbrannter Hang regeneriert sich in Kantabrien, je nach Höhenlage, innerhalb von 5 bis 25 Jahren. Die Biodiversität – etwa seltene Orchideenarten, Salamander, Greifvögel – kehrt oft nur langsam zurück. Manche Arten, wie die vom Aussterben bedrohte Pyrenäen-Desman (Galemys pyrenaicus), verlieren bei Bränden ihren gesamten Lebensraum.
Ich gehe heute durch ein Gebiet, das 2019 brannte. Erst jetzt keimt dort wieder Farn. Der Boden ist noch karg. Aber er lebt. Und ich frage mich: Was, wenn wir alle ein kleines bisschen mehr Verantwortung übernehmen würden?
Fazit: Die Zukunft Kantabriens ist unser aller Aufgabe
Kantabrien ist ein Juwel, das mit jedem Brand an Glanz verliert. Die Natur kann sich regenerieren – doch sie braucht Zeit, und vor allem braucht sie Schutz. Wir alle – Reisende, Einheimische, Behörden, Landwirte, Aktivisten – müssen ein Ökosystem bewahren, das in Europa seinesgleichen sucht.
Feuer ist Teil der Natur – aber nur dann, wenn es sich in einem natürlichen Zyklus bewegt. Wenn Menschen jedoch zum Brandbeschleuniger werden, dann ist es unsere moralische Pflicht, einzugreifen.
Ich werde weiterhin jedes Jahr nach Kantabrien kommen. Ich werde weiter darüber schreiben. Ich werde warnen, trauern, aufklären. Denn dieses Land hat es verdient.
🌿 Kantabrien darf nicht weiter brennen – weder sichtbar noch in unseren Herzen.
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Waldbrände in Kantabrien – Wenn das grüne Herz Spaniens schwarz wird. Foto von Recep Tayyip Çelik |
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